Kein Personalausweis im Wahllokal gefordert
30 Aug 2009 — 0 Comments — — Estimated reading time: 3 minutes read
Heute waren Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen. Und wie es sich gehört, war ich um 10:40 im Wahlbezirk 22 — Ehrenfeld I, Neuehrenfeld I (40104) wählen. Zu meinem grossen Erstaunen wurde ich weder nach meinem Personalausweis gefragt, noch wurde meine Identität in irgendeiner Weise sicher festgestellt.
Meinen Personalausweis hatte ich sogar schon, wie auf der Wahlbenachrichtigung beschrieben, in der Hand. Vor mir hat ein Pärchen (etwa 35 Jahre) gewählt. Auch diese beiden wurden nicht nach einem Identitätsnachweis gefragt. Aus dem Wahlvorstand war mir auch niemand persönlich bekannt. Einzig meine Wahlbenachrichtigung wurde einbehalten. Nach mir war eine kürzere Zeit lang niemand der wählen wollte. Folglich wäre auch Zeitdruck kein pragmatisches Argument.
Jeder, der — wie auch immer — Zugriff auf meine Wahlbenachrichtigung gehabt hätte, hätte also problemlos meine Stimme abgeben können. Hätte also jemand die Wahlbenachrichtigung gehabt und wäre vor mir wählen gegangen, hätte ich also keine Möglichkeit gehabt, meine Stimme abzugeben.
Mein Bruder hat mir eben berichtet, dass er in Köln-Nippes bei der Europawahl 2009 auch nicht nach seinem Personalausweis gefragt wurde. Im Gegenteil wurde ihm sogar gesagt, dass der dortige Wahlvorstand den Personalausweis nicht benötige. Anschliessend habe ich in meinem Freundeskreis herumgefragt und keiner wurde nach seinem Ausweis gefragt (Ehrenfeld I, Neuehrenfeld I — 40111, Humboldt/Gremberg I, Kalk — 80206). Diese Umfrage ist natürlich in keiner Weise repräsentativ, es zeigt aber leider, dass mein Wahllokal kein Einzelfall wahr.
Somit stelle ich mir die Frage, wie viele der abgegebenen Stimmen tatsächlich von den entsprechenden Wählern abgegeben worden. Meines Erachtens entspricht ein solches Vorgehen nicht einer demokratischen Wahl. Vor allem in Zeiten von Überwachungswahn, biometrischen Pässen, Zensur etc. ist diese Herangehensweise mehr als fragwürdig.
Auch wenn man in der heutigen Zeit froh um jeden Wähler sein kann, der sein demokratisches Recht wahrnimmt, sollte man ein Mindestmass an Transparenz und Nachvollziehbarkeit wahren. Wir kritisieren (zurecht!) Wahlmanipulationen im Iran oder in Afrika, sind aber selbst nicht in der Lage, zu gewährleisten, dass jeder nur einmal seine Stimme abgibt. Ich möchte hier ausdrücklich nicht unterstellen, dass es Unregelmässigkeiten bei der Kommunalwahl in Köln gegeben hat, mit solchen Methoden dem Fehlen von echter Identifikation der Wähler sind aber auch hier Manipulationen Tür und Tor geöffnet.
Update: Bei einer Blitzumfrage unter den WDR Netscouts wurde festgestellt, dass auch dort von niemandem der Personalausweis verlangt wurde.
Update 2: Ich habe eine Stellungnahme des Wahlamtes der Stadt Köln erhalten. Demnach reicht laut Kommunalwahlordnung die Wahlbenachrichtigung und der Eintrag ins Wählerverzeichnis aus.
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Markus Wagner wrote on 30. August 2009 at 23:08:
Ich darf seit 27 Jahren wählen. Bislang musste ich, wenn ich die Wahlbenachrichtigung vorweisen konnte, noch nie, egal bei welcher Wahl, meinen Personalausweis vorzeigen.
primusvonquack wrote on 30. August 2009 at 23:08:
Was geschiet mit den Wahlbenachrichtigungen in Alten- und Pflegeheimen?
Martin Gude Author wrote on 30. August 2009 at 23:35:
@Markus Wagner: Was ich im Artikel vergessen hatte: Bisher habe ich an fast allen Wahlen (seitdem ich 1997 meinen 18. Geburtstag gefeiert habe) per Briefwahl teilgenommen oder vorab im Rathaus gewählt. Ein oder zwei Mal war ich am Wahltag auch im Wahllokal. Wenn sowas dann anscheinend Usus ist, finde ich das um so schlimmer.
@primusvonquack: Das würde mich auch sehr interessieren.
Martin Gude Author wrote on 31. August 2009 at 08:11:
Auf meinem Facebook Account wurde mir vorgeschlagen, dass ich mich doch auch in den Wahlvorstand setzen sollte und immer dann meckern, wenn irgendwas nicht richtig läuft. Eigentlich ist das ja genau deren Aufgabe.
Und im Prinzip bin ich auch niemand der meckert und sich dann vor so etwas drückt. In Köln muss man allerdings seinen kompletten Sonntag dafür opfern. Von 7:30 bis circa 22 Uhr ist mir einfach zu lang. Für eine vier Stunden Schicht könnte ich mich durchaus erweichen lassen, aber meinen im Endeffekt einzigen wirklich freien Tag der Woche opfern ist echt hart.
Tobias wrote on 31. August 2009 at 09:15:
Bei mir haben sie gefragt. Gleiches Wahllokal.
Hast du die Ehrenamtler, die dort saßen, gefragt, warum sie nicht den Personalausweis kontrolliert haben?
Martin Gude Author wrote on 31. August 2009 at 09:31:
@Tobias: Nein, hab ich leider nicht. Mir ist leider erst beim darübernachdenken zu Hause wirklich klargeworden, was das eigentlich bedeuten kann. Ich hätte natürlich noch einmal zurückgehen können und nachfragen.
Nicht das wir uns falsch verstehen, das ist kein Vorwurf an die ehrenamtlichen Wahlhelfer sondern vielmehr an die Stadt Köln. Es muss vom Wahlamt sichergestellt werden, dass jeder Wahlhelfer die Bedeutung einer validen Identitätsprüfung kennt.
wu wrote on 31. August 2009 at 11:20:
ich war gestern in köln wahlhelferin und wurde von unserem wahlvorstand angewiesen, NICHT die personalausweise zu kontrollieren. wir sollten uns lediglich das geburtsdatum anschauen und überprüfen, ob es sich bei der person (alter, geschlecht), wohl wirklich um den besitzer des jeweils abgegebenen wahlscheines handelt. mir kam das auch komisch vor, aber der wahlvorstand hat drauf bestanden, dass die stadt köln das genau so vorschreibt.
@ martin gude: theoretisch soll man zw. 7:30 und 22 uhr zur verfügung stehen, praktisch muss man jedoch nur morgens und dann tagsüber ein paar stunden lang anwesend sein. in jedem wahllokal sind ja 7 wahlhelfer eingesetzt und davon müssen nur max. 4 personen gleichzeitig anwesend sein — so sagte mir jedenfalls ein mitarbeiter der stadt köln am telefon.
Lutz Gerritzen wrote on 31. August 2009 at 12:50:
Auch in Krefeld wurde nicht nach dem Ausweis gefragt, ich habe bereits entsprechende Mails an den Datenschutzbeauftragten und die Stadt Krefeld geschickt. Ich schlage vor, vor der nächsten Bundestagswahl einen TV-Sender oder eine Tageszeitung darauf heiß zu machen, dass einer von uns mit den Wahlbenachrichtigungen von fünf Bekannten, die keine Lust zum Wählen haben, fünf Kreuzchen macht. So könnte man sogar live kommentieren, dass Deutschland eine Bananenrepublik ist und jede Wahl anfechten. Das Problem wird nur sein, dass man sich strafbar macht. Aber wer will verhindert, dass beispielsweise ein Strohmann einer Partei fünf Leutchen die Wahlbenachrigung abkauft und dann für sie wählen geht?
Martin Gude Author wrote on 31. August 2009 at 15:24:
@wu: Wenn die Stadt die Anweisung erteilt, nicht die Ausweise zu kontrollieren, finde ich das fast noch schlimmer.
Aber gut zu wissen, dass man nicht die komplette Zeit da sein muss. Dennoch würde ich es besser finden, wenn es mehrere Schichten gäbe, für die man sich dann melden kann. Dann könnte man an so einem Wahlsonntag sowohl Freizeit haben als auch Wahlhelfer sein.
Herr Jeh wrote on 1. September 2009 at 07:21:
Ich arbeite seit mehreren Jahren ehrenamtlich in Wahllokalen als Wahlhelfer.
Bevor man dorthin gesetzt wird, erhält man von der Stadtverwaltung vorher jeweils eine kleine Schulung.
Dort wird einem gesagt, dass die Wahlbenachrichtigungskarte quasi das Ausweisdokument ist, welches alleine schon zur Wahl berechtigt und deswegen ausreichend ist. In diesem Sinne muss da auch jeder selbst drauf aufpassen, will er nicht, dass Schindluder mit seiner Stimme getrieben wird.
Ausweise werden nur kontrolliert, wenn das Geburtsdatum nicht zum Gesicht oder der Name nicht zum Geschlecht der anwesenden Person passt oder einem sonst an der Person etwas komisch vorkommt. Wenn zum Beispiel ein Sohn für seinen Vater wählen geht, würde das schon bemerkt werden. Bei einem Jugendlichen, der für seine Klassenkameraden wählen geht, sieht das schon anders aus. Aber in der Regel kann man sich auch nur einmal in einem Wahllokal zeigen, ohne das es auffällt
Ich fand das auch schon immer etwas ungewöhnlich, aber es scheint gängige Praxis in ganz Deutschland zu sein.
Martin Gude Author wrote on 1. September 2009 at 07:43:
Dass die Wahlbenachrichtigungskarte quasi dein Ausweisdokument ist und somit sorgfältig aufbewahrt werden sollte, steht aber nicht auf der Karte drauf. Im Gegenteil sieht Sie eher wie etwas aus, was zwar hilfreich ist, aber auch nicht schlimm wenn man es verliert oder irgendwo versehentich liegen lässt. Es sieht wie ein reines Informationsdokument aus, nicht wie ein Ausweisdokument. Auf meiner Wahlbenachrichtigung zur Bundestagswahl, die praktischerweise gestern in der Post war, steht explizit drauf: »Das Wahlrecht kann auch bei Verlust der Wahlbenachrichtigung ausgeübt werden.« Folglich würde ich, ausser wegen meiner Daten, keinen Grund dafür sehen, auf diesen Zettel aufzupassen.
Da nehmen die Kontrolleure der Bahn und der KVB die Ausweisbindung von Semestertickets ernster als die Städte und Gemeinden beim Wählen. Als ich noch Student war, war der Schaffner in den seltensten Fällen nur mit meinem Studentenausweis zufrieden sondern wollte sehr häufig auch meinen Perso sehen.
Wenn diese Vorgehensweise also gängige Praxis ist, könnte man also folgendes Szenario durchspielen: ich möchte spontan am Wahlwochenende irendwohin weg. Ich suche jemanden in meinem Freundeskreis (gleiches Geschlecht und Alter), dem ich vertraue und der nicht in meinem Wahlbezirk wohnt. Briefe ihn was er zu wählen hat. Gebe ihm die Benachrichtigungskarte. Und niemandem würde das auffallen, wenn er für mich wählt.
Tim Z. wrote on 2. September 2009 at 09:01:
Ich musste in Duisburg auch meinem Personalausweis nicht zeigen. Eher im Gegenteil, als ich die Wahlbenachrichtigungskarte abgegeben habe und anfing meinen Personalausweis aus meiner Geldbörse zu kramen, sagte die Dame nur: »Den brauch wir nich.«
Das hat mich natürlich stutzig gemacht.
Eine Nachfrage bei mehreren Freunden, Verwandten und Bekannten hat das selbe Bild ergeben.
Anscheinend wurde in mehreren Wahllokalen in Duisburg der Personalausweis nicht kontrolliert!
Michael wrote on 3. September 2009 at 10:24:
Auch ich bin erfahrener Wahlhelfer. Der Personalausweis ist nicht notwendig !
Ich empfehle einfach einen Blick in das Wahlgesetz bzw. die Wahlverordnungen der
Länder. Kann man aller kostenlos im Internet lesen.
P.S.: Wie oben richtig beschrieben ist die Wahlbenachrichtigungskarte das eigentliche Dokument. Es kann aber auch ohne diese Karte gewählt werden, dafür ist dann der Personalausweis vorzulegen.
Wenn dem Wahlvorstand aber derjenige »persönlich bekannt ist« muss auch das nicht sein !
Ich weiss aber nicht wo das Problem liegt,
bei der Briefwahl schicke ich ja auch nicht einen Fingerabdruck mit. Diesen Wahlzettel könnte genauso gut jemand Fremdes eintüten und losschicken, oder ??
Diese Karte ist ein Dokument und das lege ich ja auch nicht im Treppenhaus aus, damit sich jeder bedienen kann.
Und in meiner langen Erfahrung habe ich noch nie erlebt, dass jemand mit einem fremden Wahlschein aufgetaucht ist, das fällt ja spätestens dann auf wenn der richtige zur Wahl kommt.
Michael wrote on 3. September 2009 at 10:34:
Hallo,
hier bin ich nochmal.
Die ultimative Seite zu dem Thema ist
hier:
http://www.wahlrecht.de/gesetze.htm
Dann schaut mal z.B. bei NRW in die KWahlO
(Kommunalwahlordnung) und da in § 40.
Für die anderen Wahlen sieht das aber genauso aus.
Für die kommende Bundestagswahl gilt die BWO (Bundeswahlordnung) § 56 Stimmabgabe.
Alles klar geregelt, wie für Deutschland nicht anders zu erwarten.
Oliver Welte wrote on 19. March 2012 at 11:59:
Dazu lässt sich folgendes sage:
Als langjähriger Wahlhelfer weiß ich, dass die Wahlhelfer nicht verpflichtet sind, bei Vorliegen einer korrekten Wahlbenachrichtigung und entspr. Eintrag in das Wählerverzeichnis den Personalausweis zu überprüfen.
Hat jedoch ein Wahlhelfer in irgendwelcher Weise Zweifel an der Identität eines Wählers, so ist er angehalten, sich den Pass zeigen zu lassen. So kommt es, dass der Wähler in der Regel wohl nicht nach seinem Ausweis gefragt werden wird. Wird er es aber doch, und kann sich dann nicht ausweisen, weil er z.B. den Ausweis zu Hause hat liegen lassen, so muss er wohl schlechtestenfalls sogar damit rechnen, seine Stimme nicht abgeben zu dürfen.
O. Welte